15 – 20 %! Ich war und bin noch immer über diese Zahl überrascht! 15 – 20 Prozent aller Menschen sind laut Studien hochsensibel, das sind ca. 3-4 Kinder pro Schulklasse. Überrascht deswegen, da die Anzahl doch SEHR hoch ist. Der Begriff ist sicherlich sehr vielen bekannt – doch was es genau bedeutet, hochsensibel zu sein – welche positiven und negativen “Begleiterscheinungen” zur Hochsensibilität gehören – dies ist vermutlich weniger geläufig.

Im folgenden Beitrag möchte ich nun auf dieses meiner Meinung nach wirklich sehr wichtige Thema eingehen, es näher erklären und vor allem aufzeigen, wie man damit umgehen kann, um diese Eigenschaft als eine Besonderheit empfinden zu können.

Hochsensibilität, was genau ist das?

Zu Beginn möchte ich den Begriff “Hochsensibilität” erklären und beschreiben. Die Informationen, die ich nun im Folgenden gebe, gelten für Erwachsene wie für Kinder gleichermaßen. Das wichtigste  vorweg: Hochsensibilität ist keine Krankheit, sondern eine Veranlagung, die vererbt wird –  d.h. man kann sie nicht heilen oder “wegmachen”, sondern man darf sie akzeptieren und lernen, damit umzugehen.

Nachfolgend liste ich eine Reihe von Aussagen auf:

  • Ich bin sehr häufig reizüberflutet, sodass ich bei scheinbar kleinen Anlässen überreagiere
  • Ich bin sehr empfindsam für Stimmungsschwankungen in meinem Umfeld
  • Ich fühle mich sehr schnell erschöpft – körperlich und emotional – und brauche schneller Pausen
  • Ich habe ein erhöhtes Schlafbedürfnis
  • Ich bin schmerzempfindlicher als Andere
  • Mich erschüttern Umstände sehr stark, während meine Mitmenschen nur mit den Schultern zucken und es locker abschütteln
  • Ich zweifle häufig an mir und meiner Wahrnehmung
  • Es ist mir vieles zu laut, zu hell und zu schnell
  • Ich empfinde Gerüche intensiver
  • Ich lasse mich sehr schnell von meinen Mitmenschen überzeugen
  • Ich fühle mich manchmal mut- und kraftlos
  • Wenn ich hungrig und müde bin, kippt meine Stimmung sehr schnell
  • Genauigkeit, Perfektionismus und das Wahrnehmen von Details beschreiben meine Persönlichkeit
  • Ich mag keine Veränderungen

Treffen diese Aussagen vermehrt auf Sie (oder Ihre Kinder) zu, dann zählen Sie (sie) vielleicht auch zu der Personengruppe der HSP (high sensitive Person – hochsensible / hochsensitive Person).

HSP haben eine tiefere und intensivere Reizwahrnehmung und -verarbeitung als Normalsensible, genau so verhält es sich mit ihren emotionalen Wahrnehmungen. Dies gilt ohne Ausnahme für alle Reize und Wahrnehmungen, denen sie im Alltag ausgesetzt sind:

Gerüche: Die olfaktorische Wahrnehmung ist sehr stark ausgeprägt, das kann sowohl für geruchsbelästigende als auch für wohlriechende Essenzen gelten

Berührungen: Was für den einen ein leichtes Anrempeln oder Schubsen ist, kann für einen HSP eine schmerzhafte Berührung sein – körperliche Schmerzen werden viel intensiver empfunden.

Visuelle Eindrücke: PC-Arbeit, Laptops, Handys, blinkende Außenwerbungen, Fernsehen, große Veranstaltungen und Konzerte können eine sehr große Herausforderung sein. Die eingehenden Reize können nicht so schnell verarbeitet werden – es kann sich regelrecht ein “Gewitter” im Kopf zusammenbrauen, was als äußerst belastend empfunden wird und auch körperliche Symptome auslösen kann.

Auditive Beschallung: Ein ständig eingeschaltetes Radio, Hintergrundmusik in Restaurants, musikalische Berieselung in Einkaufszentren, Knopf im Ohr beim Sport und andere Freizeitaktivitäten stellen eine Belastungsprobe für HSP dar. Auch wenn es vielen nicht bewusst ist, so kann genau das ein Dauerstressimplikator sein, der abgestellt oder zumindest sehr stark eingedämmt werden sollte. Lärmbelästigungen können für hochsensible Menschen regelrecht als körperlicher Schmerz wahrgenommen werden. Denke nur daran, wie viele Kinder Ohrenschmerzen haben und wie viele Erwachsene unter ständigen Ohrgeräuschen leiden.

Verbale Wahrnehmung: Aufgrund ihrer feinen Wahrnehmung empfinden HSP oftmals Worte wie Ohrfeigen. Der Grund liegt zum einen in der Lautstärke, mit denen manche Menschen reden und zum anderen darin, dass der Zwischenton, das Gefühl, das durch das Wort transportiert wird, von diesen Menschen viel intensiver wahrgenommen wird. Somit können hier im zwischenmenschlichen Bereich sehr oft Missverständnisse auftreten, da Sender und Empfänger unterschiedliche Sprachen sprechen.

Emotionale Wahrnehmung: Hochsensible Personen spüren überdeutlich, wie sich ihr Gegenüber fühlt. Sie nehmen Stimmungen, Gefühle auf und betrachten Sie als ihre eigenen. Sie sind viel intuitiver und empathischer und besitzen einen starken Gerechtigkeitssinn. Das Bedürfnis nach Harmonie ist sehr ausgeprägt, mit Streit und Konflikten können sie nur schwer umgehen, sie ziehen sich zurück und geben viel schneller nach.

Hochbegabung, ausgeprägte Kreativität und Analysefähigkeit: Der Wahrnehmungsapparat scheint mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet zu sein. Eine Veranlagung zeigt sich auch in der Fähigkeit, schnell zu denken, Probleme blitzschnell analysieren und lösen zu können. Deshalb sind viele Hochsensible auch in einem oder mehreren Bereichen hochbegabt. Beispielsweise gibt es viele hochsensible Künstler, die ein besonderes Verständnis von Farbharmonien haben oder von Klängen und Musik. Auch jede andere Art von Hochbegabung kann auftreten, zum Beispiel im sprachlichen oder auch mathematischen und naturwissenschaftlichen oder zwischenmenschlichen Bereich.

Umstände, die das Leben erschweren können

  • Großraumbüros
  • große Schulklassen
  • Großstadt
  • Massenveranstaltungen, Konzerte
  • dichter und lauter Straßenverkehr
  • Arbeitsweg / Schulweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln
  • wenig Rückzugsmöglichkeiten zur Regeneration
  • starke Konflikte
  • Mobbing
  • Informationsüberflutung
  • mangelnde Anerkennung am Arbeitsplatz
  • Druck und Beobachtung durch die Öffentlichkeit
  • unterbezahlte Arbeit
  • kritische Lebensereignisse

Sie haben nun erfahren, wie sich diese Hochsensibilität anfühlt und zeigt und welche Umstände den Alltag deutlich erschweren können. Im Folgenden möchte ich Ihnen Wege aufzeigen, wie Sie mit dieser Veranlagung umgehen können, um sich gut zu fühlen, wie man sich gut abgrenzen kann.  Die dargestellten Möglichkeiten gelten natürlich für “jedermann” und sind auch allgemein hilfreich, um mit Stresssituationen besser zurecht zu kommen.

Sofortmaßnahmen bei Stress

Wasseranwendungen: Unser Nervensystem arbeitet mit kleinsten Stromflüssen, somit bieten ein Vollbad, eine Dusche oder ein Besuch im Schwimmbad oder in der Therme eine sofortige Linderung. Da Wasser Strom sehr gut leitet, werden über die Wasseranwendungen die Nerven spürbar entladen. Die warme Temperatur trägt noch zusätzlich zur Entspannung bei.

Wärmeflasche: Besonders der Solarplexus ( “Sonnengeflecht” = Nervengewebe in der Bauchregion, gilt als das Zentrum der geistigen Fähigkeiten und der Energie) reagiert auf Stress und Anspannung sofort. Bei einigen Hochsensiblen kann Stress zu starken Magenkrämpfen, Übelkeit und sogar zum Erbrechen führen. Wenn Sie bei sich oder Ihren Kindern beobachten, dass Sie in der Magengegend sehr angespannt sind, machen Sie sich eine Wärmeflasche und legen Sie diese direkt auf den Bauch. Ideal ist diese Technik auch anzuwenden, wenn Sie abends ins Bett gehen.

Naturerfahrungen: Gehen Sie so oft wie möglich raus in die Natur oder in einen Park. Durch das regelmäßige Gehen und Atmen gelangen Sie wieder in einen ruhigeren Atemrhythmus, der sehr oft durch zu viel Stress, Gedankenkreisen oder innere Unruhe aus dem Gleichgewicht geraten ist. Die Natur ist sehr hilfreich, um Abstand zum Alltag zu bekommen und wieder zur Ruhe zu gelangen. Verweilen Sie an schönen Plätzen und betrachten Sie intensiv die Schönheit, die Sie umgibt.

Weitere Methoden:                                                                                                           

  • Atemübungen
  • Yoga
  • Autogenes Training
  • Reiki
  • Kinesiologie
  • Craniosacraltherapie
  • Sauna
  • Meditation
  • Singen
  • Akupunktur
  • Sport (vor allem Ausdauersport)
  • Osteopathie
  • Tai Chi, Chi Gong
  • Progressive Muskelentspannung
  • Tanzen
  • Ätherische Öle
  • Sprays (z.B. von Aura Soma – ist sehr empfehlenswert für die Abgrenzung)
  • Visualisierungsübungen
  • Tiere / Haustiere

Für Kinder (insbesondere Kinder, die bereits in den Kindergarten oder in die Schule gehen) ist ein liebevoller Start in den Tag besonders wichtig. Berührungen, sanftes Wecken, keine Morgenhektik lassen sie besser in den Tag starten und in den Tag ankommen. Rituale und Rückzugsmöglichkeiten sind von zentraler Bedeutung, um das Erlebte gut verarbeiten und sich entspannen zu können. Wir leben in einer Zeit, in der der Medienkonsum stetig mehr wird – Tablet, Handy, Fernseher, Computer gehören zum Alltag, das Gehirn wird permanent reizüberflutet – unruhiger Schlaf, schlechte Konzentration, Müdigkeit, “aufgedreht sein”, Wutausbrüche können mögliche Folgeerscheinungen sein. Da hochsensible Kinder deutlich länger brauchen, um diese Reize zu verarbeiten, ist es absolut empfehlenswert, den Konsum auf ein Minimum zu reduzieren oder überhaupt zu streichen – dies gilt für Erwachsene natürlich ebenso ;-).

An dieser Stelle empfehle ich Ihnen nun zwei Bücher – meine Quellen für diesen Beitrag – die ich mit großem Interesse gelesen habe. Beide sind praktische Ratgeber für hochsensible Menschen:

Harke, Sylvia: Hochsensibel Was tun? Der innere Kompass zu Wohlbefinden und Glück. Verlag Via Nova, Petersburg 2018 (9. Auflage)

Hildebrandt, Britta: Mama, Papa – ich habe kein ADS! Ich bin hochsensibel. Eberndorf 2019 (3. Auflage)

Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass diese Hochsensibilität – trotz aller Herausforderungen im Alltag und diverser Schwierigkeiten – ein Geschenk ist und als solches betrachtet und vor allem auch gelebt werden “darf”.  Es ist eine Gabe, weil man durch diese Hochsensibilität viel bewusster und tiefer empfinden kann. Man kann “kleine Wunder” im Alltag erkennen, schöne Momente erfassen, z.B. die Einzigartigkeit, die die Natur uns bietet. Es bietet ebenso eine Möglichkeit, die menschliche Seele zu spüren und zu erkennen, die sich manchmal hinter eine Fassade versteckt. Somit stellt diese Hochsensibilität auch einen wichtigen Schutz dar – einen eingebauten Mechanismus, der gerade für Kinder wahnsinnig hilfreich sein kann.

Ganz wichtig ist es, seinen individuellen Weg und vor allem vielleicht auch Rituale zu finden, die einem gut tun und die bei der so wichtigen Abgrenzung helfen. Haben Sie Mut, stehen Sie zu sich und Ihren Kindern und gehen Sie vielleicht auch neue Wege – ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!

Herzlichst, Ihre Iris Ehrlich :-)

 

 

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